Damit es Frieden in der Welt gibt,
müssen die Völker in Frieden leben.

Damit es Frieden zwischen den Völkern gibt,
dürfen sich die Städte nicht gegeneinander erheben.

Damit es Frieden in den Städten gibt,
müssen sich die Nachbarn verstehen.

Damit es Frieden zwischen Nachbarn gibt,
muß im eigenen Haus Frieden herrschen.

Damit im Haus Frieden herrscht,
muß man ihn im eigenen Herzen finden.

 

Laotse (verm. 6Jh.v.Chr.)

 

*

 

 

Das Glück des Tagelöhners

Aus Armenien


Es war einmal ein armer Tagelöhner, der lebte glücklich und zufrieden mit seiner

Frau und seinen Kindern in einem kleinen Haus am Rand des großen Waldes.

Er fällte Bäume, hackte Holz, schnitt Bretter zu und verdiente so sein tägliches Brot.

Das war eine schwere, mühsame Arbeit, viel Schweiß für wenig Lohn, und doch klang am Abend meist Lachen und Singen aus dem kleinen Haus, so dass die Leute sich verwunderten.

Auch der König, der auf dem Weg zum Schloss oft an dem kleinen Haus vorbeikam,

hörte das Singen und Lachen. Erst war auch er verwundert, dann verärgert,

schließlich war er ganz empört: "Was haben Tagelöhner zu lachen?"

Und er schickte seine Soldaten zu dem kleinen Haus.


"Höre, Holzhacker", sagte der Hauptmann der Soldaten, "dies befiehlt dir unser

Herr, der König: Fülle bis zum Morgengrauen fünfzig Sack mit Sägemehl, und

schaffst du das nicht, so seid ihr alle des Todes, du, deine Frau und deine Kinder!"

Der Tagelöhner erschrak. "Fünfzig Säcke Sägemehl! In einer Nacht! Das kann kein

Mensch schaffen. Ach, wir sind verloren."

Seine Frau aber tröstete ihn und sprach: "Mein Lieber, wir haben ein gutes Leben

gehabt. Wir hatten uns und unsere Kinder, wir hatten Freunde und Freude genug. Die fünfzig Säcke können wir doch nie bis zum Morgen füllen. Darum lass uns in dieser Nacht noch einmal unser glückliches Leben feiern, mit unseren Kindern und Freunden.

So, wie wir gelebt haben, wollen wir auch dem Tod entgegengehn!"

Und sie riefen ihre Kinder und luden ihre Freunde ein und feierten in dieser Nacht

noch einmal ein Fest, sangen und lachten und waren glücklich bis zum Morgengrauen.

Dann schliefen die Kinder ein, und die Freunde gingen, einer nach dem andern, und

dann war der Tagelöhner allein mit seiner Frau. Schweigend standen sie am Fenster

und warteten auf die Morgensonne. Und da überfiel sie die Traurigkeit.


"Nun ist es aus mit uns," sagte die Frau, "ach, es ist schwer, das Leben zu lassen,

wenn es so glücklich war."

"Lass gut sein", sagte der Mann, "es ist doch besser, dankbar für all unser Glück zu

sterben als weiterzuleben in ständiger Angst und Traurigkeit."

 

Da klopfte es an die Tür. "Das werden die Männer des Königs sein," sagte der

Tagelöhner. Noch einmal umarmte er seine Frau, dann machte er die Tür weit auf.


Draußen stand der Hauptmann des Königs.

Nur zögernd trat er über die Schwelle, und lange schwieg er.


"Höre, Holzhacker", sagte er dann, "schneide zwölf Eichenbretter für einen Sarg.

In dieser Nacht ist der König gestorben."

 

 

 

Hoffentlich hat das Schicksal ein Einsehen

und befördert den /die Kriegszündler ins Jenseits